Drei schwarze Regenschirme, in Schräglage in den Schaukasten eingepasst. Noch sind sie geschlossen. Im akkuraten Nebeneinander präsentieren sie sich feierlich. Der Titel verrät ihre Warteposition. Sie harren aus, bis ihr Öffnungsmechanismus ausgelöst wird, in einem Kasten, der keinen Platz bietet für ihre Spannweite.

Schirme haben Signers Phantasie schon früh angeregt. Roberts Flug im Struwwelpeter wirkte keineswegs abschreckend, im Gegenteil. Die Bewunderung für den Jungendfreund, der den Flug vom Dach ausprobierte, ist ihm bis heute geblieben – allerdings auch sein klägliches Scheitern. Das erträumte Flugobjekt zeigte unvermittelt seine grausame Seite, wurde Speer und Spiess - in dieser Funktion aber durchaus tauglich.

 

«Ein Versuch, drei Regenschirme gleichzeitig im Schaukasten zu öffnen» gelingt hervorragend!

 

‹Dach›, nannten die Appenzeller den Schirm, seine Schutzfunktion gegen Wind und Regen ausdrückend. Früher war er stets handgemacht, namentlich gekennzeichnet, ein von Roman Signer genau beobachtetes Insignium vorerst des Erwachsenseins, erst später eines von Macht und Ruhm. Er erinnert sich an die Peinlichkeit, wenn Schirme nach dem Beizenbesuch verwechselt wurden. Und an die Bauern, die das ‹Dach› vorsorglich am Velo festgeschnallt hielten, weil «man ja nie wisse …»

Anders in Island. Da trage man keinen Schirm. Signer hat dennoch mit ihm experimentiert. Ein Bild zeigt ihn klatschnass mit Schirm nahe bei einem Wasserfall. Als er zwei Exemplare mitten aufs Feld setzte, waren sie innerhalb kurzer Zeit zerfetzt. In München hat die Versuchsanordnung funktioniert. Ausgelöst durch elektrische Energie steckten alle vorbereiteten Schirme gleichzeitig und senkrecht in den mit Sand gefüllten Behältern und schufen eine Skulptur, die von Thomas Hürlimanns Essay über Nietzsches Regenschirm begleitet wurde.

Still und ausschliesslich als Fotodokument zu sehen, sind die Arbeiten ‹Schirme in verschiedenen Situationen›, die Roman Signer, zusammen mit seiner Tochter Barbara und Michael Bodenmann vor drei Jahren im Urnäscher Tobel, an der Sitter und in Weissbad, realisiert hat. Wir sehen den Schirm, aufgespannt über dem Laubboden, Unterschlupf bietend wie ein Zelt. Einer scheint festgeklemmt im Fluss, streckt sich, nurmehr mit der Spitze aus dem Wasser; ein dritter hangelt mit unbestimmten Ziel dem gespannten Seil entlang.

 

Die Einladungskarte zum Auftritt Roman Signers im Schaukasten Herisau.

 

Ein Schirm verleihe Haltung und Würde, es sei denn, Wind, Wetter oder Roman Signer schlagen ihm ein Schnippchen. Wie alle Alltagsgegenstände ist der Schirm in Signers künstlerischen Schaffen durchdrungen von Erinnerungen, eigenem Erleben, ebenso wie von Forscherlust und aufmerksamer Beobachtung. In seinen Ereignissen verbinden sie sich zu eindringlichen visuellen Metaphern für Veränderungsprozesse und Zeitläufe.

Katharina Stoll-Cavelti

 

Roman Signer, 1938 in Appenzell geboren, lebt und arbeitet in St. Gallen.

 

Weitere Materialien
> Bildergalerie zu Roman Signer
> Video zu «Ein Versuch, drei Regenschirme gleichzeitig im Schaukasten zu öffnen»

Weitere Informationen
> Roman Signer unter http://www.romansigner.ch