Weder den Künstler noch das Objekt der titelgebenden Zeichnung braucht man hier, an diesem Ort vorzustellen. Beide sind auf ihre Weise weit über die Region hinaus bekannt und bedeutsam, wichtige und gewichtige Institutionen. So ist auch der Ausstellungstitel zu verstehen, lapidar und scheinbar selbsterklärend wie die Zeichnung.

Zu sehen ist aus südlicher Ansicht das Haupthaus der Huber+Suhner AG, der Herisauer Fabrik, die sich weitum sichtbar wie ein Keil in die Ebene des Glatttals stellt. Verbindungstechnik wird da vom grössten Arbeitgeber des Dorfes produziert, auf technologischem Höchststand und für einen internationalen Markt. Das sprengt jede Vorstellungskraft, den 179 cm breiten Schaukasten sowieso. Hans Schweizer gelingt das Kunststück, das bekannte Gebäude mit feinem Farbstiftstrich formatfüllend einzupassen, ausschnitthaft und doch eindeutig, auf seine Weise fragmentarisch und umfassend.

 

Hans Schweizer zeichnet sich für die Einladungskarte als Zeichner ...

 

Die bebaute Landschaft nimmt und nahm in Schweizers Werk einen breiten Raum ein. Exemplarisch und chronologisch in Erinnerung zu rufen ist das Ölbild der Alp Langdürren, deren Hütten sein Vater, ein Zimmermann, gebaut hatte, eine Tuschzeichnung des Gare d’Austerlitz, die Radierung «Rue Ferdinand Duval», entstanden während seiner ersten Reise nach Paris Ende der 50er Jahre oder die drei monströsen Hochhäuser des Campus der York University, in denen er während seines Aufenthaltes in Toronto gewohnt hatte. Er habe sich immer an das gehalten, was vorhanden war, sagt Hans Schweizer. Das ist für ihn seit über zwanzig Jahren wieder und – von seinen Reisen abgesehen – vor allem der Raum zwischen St. Gallen, Gais und dem Rheintal. Diesem begegnet er mit Skizzenblock und wachen Sinnen, hält einen Wohnblock fest, wie er ihn oft auf der Zugsfahrt gesehen hat, stellt sich auf die geschichtstächtige Rheinbrücke von Diepoldsau, nähert sich den neuen Hochhäusern der Stadt St. Gallen.

 

... und zeigt im Schaukasten die Zeichnung des Hauptgebäudes der Huber+Suhner AG.

 

Nicht als Ausdifferenzierung funktionaler Erscheinungsformen interessiert Hans Schweizer Architektur. Für ihn ist sie vielmehr Ausdruck einer Zeitstimmung, der Geschichte und Geschichten. Schweizer erzählt sie, indem er weglässt. Er zeichnet das Fabrikgebäude, trotz leichter Erkennbarkeit, schemenhaft, ohne Umgebung, in scheinbar offener Landschaft. Und er verzichtet auf abbildnahe Farbigkeit, malt mit monochromen Grundtönen in Braunrotpink. Das verleiht dem Bild eine seltsame räumliche und zeitliche Entrücktheit. In der Leerstelle zwischen Nähe und Distanz geschieht das Wesentliche, lassen sich erfahrene und erdachte Geschichten finden von der täglichen Arbeit, den Arbeitenden und ihren wandelnden Lebenswelten.

Je älter er werde, desto begieriger sei er, die Umgebung aufzunehmen und abzubilden, sagt der Künstler. Für Huber+Suhner AG hat er sich zum Zeichnen auf die Motorhaube des Autos gesetzt und im monumentalen Gegenüber Annäherungen gesucht.

Katharina Stoll-Cavelti

 

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