Es könnte die Auslage eines Trödlerladens sein; liebevoll assortiert, etwas antiquiert, vielleicht auch vergessen, aber in der Anmut eines Altars präsentiert, fast wie ein Bildstöckli, wie es Wegstücke manchmal säumen. Die einzelnen Gegenstände sind weit mehr als nur die Sachen, die wir sehen. Es sind Stellvertreter für je eine Geschichte, die Peter Liechti in Form eines Films der Öffentlichkeit zugänglich gemacht hat. Die gelöcherte Pfanne, der Aschenbecher mit dem blauen Schirm, Ventilator, Buch, Stofftier, Huhn und Hut – sie alle und einige dazu schreiben Peter Liechtis Filmographie der letzten dreissig Jahre: Signers Koffer (1996), Hans im Glück (2003), Kick That Habit (1989), The Sound of Insects (2009), Wind und Weh (2012), Sommerhügel (1984) und Ausflug ins Gebirge (1986)… Und sie sind ein Statement. Es sind materielle Überbleibsel von einer Kunstform, deren Speichermedien von Jahr zu Jahr virtueller werden, die im Zug der Digitalisierung in zunehmender Auflösung begriffen sind.

 

Liechtis Einladungskarte zur Arbeit «Wegstücke» ...

 

Für seinen noch in Arbeit befindlichen Film Wind und Weh – Der Untergang des Abendlands (Arbeitstitel: Vaters Garten) verzichtet Peter Liechti erstmals auf das 35mm Negativ. «Ich wünsche mir wieder mehr materiellen Bezug zu unseren Produkten und ihren Produktionsmitteln», stellt er parallel dazu fest. «Hatte ich bisher geglaubt, dass Begriffe wie Materialismus und Kapitalismus einander bedingen und gegenseitig umschreiben, so ist mir die heutige Ent-Materialisierung, die grundsätzliche Entwertung alles Materiellen, inklusive unserer Arbeit, noch unheimlicher. Ich beginne zu verstehen, dass der innerste Motor des Kapitalismus nie materieller, sondern immer virtueller Natur war. Alles Materielle ist zu träge und stellt sich dem Wachstum, der Vervielfältigung, der Beschleunigung, der Umsatzsteigerung in den Weg.» Mit der Digitalisierung wächst das Bedürfnis nach Widerstand durch greifbares Material. Die als Stillleben geordneten Wegstücke sind das Bremsmittel einer auf Daueroptimierung ausgerichteten Lebensform.

 

... und «Wegstücke» im Schaukasten Herisau.

 

Kompromisslos und sich verausgabend verfolgt Peter Liechti seit dreissig Jahren grundlegende Fragen des Seins, richtet den Blick auf Alltägliches und Widersprüchliches und scheut das Scheitern nicht. Mit seinem jüngsten Projekt mit dem Arbeitstitel «Vaters Garten - Der Untergang des Abendlands» denkt er nicht nur über die eigene Familie, sondern über den Wandel von Werten nach. Dazu gehört auch der kritische Blick auf die Entwicklung neuer Technologien, Nostalgie und Aufgeschlossenheit.

Ursula Badrutt Schoch

 

Peter Liechti ist 1951 in St.Gallen geboren und aufgewachsen. Nach der Matura beginnt er Medizin zu studieren, wechselt aber bald an die Zürcher Hochschule der Künste in Zürich, macht das Diplom für Zeichnungslehrer und beginnt ein Studium in Kunstgeschichte.
Ab 1984 entstehen erste Filmexperimente. Seit 1986 ist er freischaffend als Autor, Regisseur, Kameramann und Produzent tätig. Parallel dazu gibt er Seminare, Masterclasses und Titorate an verschiedenen Filmhochschulen in und ausserhalb der Schweiz. Er lebt in Zürich und Wald AR.

 

Weitere Materialien
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Weitere Informationen
> Peter Liechti unter http://www.peterliechti.ch