In Anspielung auf ihre universalwissenschaftliche Bedeutung spricht man im Zusammenhang mit Kunst gerne von Recherchen, Forschungsarbeit, Labor und Experiment. Kunst und Wissenschaft bilden einen Paarlauf zwischen Historie und Vision. Woher kommen wir? Wohin gehen wir? Diese zentralen Fragen der Menschheit beschäftigen Künstler genau so wie Wissenschaftler, Philosophen, Utopisten.

 

Einige Stichwörter zur Ausstellung «Epoche» von Martinka Kremeckova im Schaukasten Herisau
auf der Einladungskarte.

 

«Ich liebe Welterklärungsmodelle», sagt Martinka Kremeckova. So erstaunt es nicht, dass ihre Arbeit immer wieder um das Entstehen und Vergehen von Welt, von Materie, von Leben, von Dingen kreist. Aus ihren Beobachtungen und Überlegungen entwickelt sie verführerisch irreführende Objekte, Auslageordnungen, Zeichnungen und Rauminstallationen. Ihre Werke sehen oft auf den ersten Blick medizinhistorischem Ausstellungsgut oder Physiklaboreinrichtungen zum Verwechseln ähnlich. Oder sie sind kaum wahrnehmbar, weil sie als Trompe l’oeuil den materiellen Verfall in Form von Schimmelpilzen vorwegnehmen. Auch im Malen von Dreck und Schmutz ist Martinka Kremeckova eine Meisterin. Auf den zweiten Blick öffnen sich Abgründe der Ironie und Wunder des Absurden. Ihre Reliefs sind Querschnitte, die Einblick geben in die knochenähnliche organische Innenstruktur von gebautem Mauerwerk; die Zeichnung «Flügel» untersucht die Befestigung von Flügeln am Rücken eines Engels, als handle es sich um Rekonstruktionen aus der Dinosaurierforschung. Behauptungen im Triangel von Sehen, Wissen und Glauben überzeugen durch die handwerkliche Präzision.

 

Der Schaukasten gibt aktuell einen Einblick in die Schichtungen der Zeit.

 

Letztlich geht es Martinka Kremeckova aber weniger um die Sinnestäuschung, als viel mehr um die Herstellung von Beweglichkeit in der Vorstellung von Tatsachen, Behauptungen und Erfindungen. Objektivität wird in ihren Händen ganz schön fantastisch. Gleichzeitig erforscht sie aber auch heutige Möglichkeiten von Malerei, Skulptur und Zeichnung.

Für Herisau hat Martinka Kremeckova gleich ein ganzes Zeitalter zusammengestellt. Der Schaukasten gibt mit «Epoche» einen Blick in die konsumierte Materialität jüngst vergangener Zeit frei. Eine Kostprobe des Prozesses zwischen Werden und Vergehen, Brut und Moder, Senkung und Schichtung gibt in verbaler Umsetzung die Ankündigung von «Epoche» auf der Einladungskarte. Der Zersetzungsprozess hat schon begonnen, ist immer in Gang. Während die unteren Schichten bereits zur Versteinerung neigen, sind Schuhe, Bürste Farbtuben erst lose von Kompost bedeckt. Maden tummeln sich dazwischen. Die Zeit läuft, die Uhr tickt. Auch unsere.

Ursula Badrutt Schoch

 

Martinka Kremeckova ist 1980 in Brno, Tschechien geboren und lebt heute in Zürich. 2008 schloss sie die Kunstausbildung an der Hochschule für Kunst und Gestaltung in Zürich ab.

 

Weitere Materialien
> Bildergalerie zu Martinka Kremeckova

Weitere Informationen
> Martinka Kremeckova unter http://www.kremeckova.ch