«Weh getan hats niemandem, aber gefehlt hat immer was.» Der Satz, dessen eine Hälfte zum Titel der Schaukasten-Arbeit von Anna Frei geworden ist, ist einer von vielen Erinnerungsfetzen, welche die Künstlerin rund um den vermeintlichen Einbruch in die Hauptpost Herisau in den 1970er-Jahren gesammelt hat. Anna Frei hat, als sie einmal vom Herisauer Postraub Wind bekommen, in minutiöser Kleinstarbeit, unbedingt notweniger Diskretion und spielerischer Neugierde eine ausgedehnte Recherchearbeit mit offenem Ausgang begonnen. Aus Gesprächen mit auf irgendeine Art Beteiligten, mit Polizisten, Diebinnen, Postbeamten, Wirtinnen hat sie in dramaturgischer Regie ein Hörstück erarbeitet, das unserem stets nur fragmentarischen Wissen gerecht wird. Lückenhafte und sich widersprechende Erinnerungen, Behauptungen, Annahmen, Gerüchte vermischen sich zu einer Geschichte ohne Helden. Über eine Telefonnummer lassen sich in Bruchstücken und in unterschiedlichen Erinnerungsstufen lückenhafte Einblicke in den sonntäglichen Postraub geben. Dabei wird erlebbar, dass Wirklichkeit und Wahrheit immer bloss ein Teil jener Fiktion sind, die sich Leben nennt und letztlich ein Mikrokrimi ohne Auflösung bleibt, ein Rätsel.

 

Der Einladungskarte zur Ausstellung von Anna Frei im Schaukasten fehlt etwas.

 

Anna Frei untersucht mit subversivem Scharfsinn und absurder Poesie Verhaltensweisen von uns allen. Dabei ist es nicht das erste Mal, dass Spuren Anna Frei nach Herisau führen. Auch als sie zwecks Beraubung von Vernissage-Gästen einmal einen Taschendieb suchte, kam sie hierher. Gerne arbeitet sie auch in Banden. Mit Manuel Gmür beispielsweise hat sie 2008 für den Projektraum exex am Oberen Graben in St.Gallen «Crash that spectacle» entwickelt. Von der eigentlichen Aktion – ein Auto mit den beiden Urhebern als Fahrer und Beifahrerin rammte über eine Rampe das bereits dem Abbruch zugesprochene Gebäude – war zwar nichts als eine kleine Fotografie als Beweisführung und Anregung zu allen möglichen Rekonstruktionen zu sehen. Die Geschichten aber füllten den Stadtraum.

 

Zu sehen gibt es im Schaukasten von Anna Frei nur eine Telefonnummer ...

 

Ein anderes Projekt von Anna Frei in Zusammenarbeit mit Franziska Glozer, Lucie Kolb und Valentina Stieger ist «Radio Arthur», eine monatliche Sendeplattform auf Radio LoRa 97,5 jeweils am letzten Samstag im Monat zwischen 12.30 bis 14 Uhr, ein Projekt, das Künstlerisches ausserhalb gängiger Präsentationsformen reflektiert.

Ursula Badrutt Schoch

 

Anna Frei ist 1982 geboren, in St.Gallen aufgewachsen und lebt in Zürich.

 

Weitere Materialien
> Bildergalerie zu Anna Frei