Bei Mühlefluh kann ein harmloses Lebkuchengebäck, das mit pastellfarbenen Streuseln und Zuckerguss liebevoll dekoriert ist, die Form einer Pistole annehmen und so den trügerischen ersten Blick Lügen strafen.

Die Innerschweizer Künstlerin untersucht in ihrer Arbeit Materialien auf ihre kulturelle Konnotation hin, jongliert mit Werten, verschränkt auf humorvolle Art Gewohntes so, dass sich dahinter eine abtrünnige Sicht der Welt eröffnet.

 

Die Einladungskarte von Barbara Mühlefluh gewissermassen «1:1».

 

So auch, wenn sich die Innerschweizer Künstlerin als Immobilienmaklerin betätigt und in einem wuchernden Komplex Wohnungen feilbietet. «zu vermieten» ist seit 2005 in Arbeit und besteht mittlerweile aus 1200 Wohnungen – allesamt Papierfaltschachteln mit zwei Fenstern. Unterschieden wird zwischen Nichtraucherräumen aus weissem Papier, Raucherwohnungen aus gelblichem und so genannten Slums aus Zeitungspapier. Letztere bilden die Vorstädte. Es handelt sich um sozialen Wohnungsbau, eine Miete auf Lebzeiten kostet in allen Kategorien 5 Franken, und wo man jeweils eingebaut wird, entscheidet die Künstlerin beim Aufbau. Dafür reist man als Mieter künftig mit der Siedlung mit und sieht sich in anderen Städten, Ausstellungsräumen oder Museen um – falls einem die Aussicht gewährt wird.

 

 

Auch die Arbeit für den Schaukasten kann komprimiert werden, hat in einer Papiertüte Platz und kann vor Ort in Varianten aufgebaut werden.

Die Künstlerin reist mit klassisch anmutenden Figuren an, 25 an der Zahl und zu jeder Figur gehört ein weisses Söckelchen. Mit Figur und Sockel übernimmt Mühlefluh eine Konvention des Ausstellens. Und hier setzt auch gleich die Hinterlist ein: Die Figuren sind aus schwarzem Silikon, dem Material, das Architekten und Maler zu vermeiden versuchen, da es nur abdichten kann. Übermalbar ist es nie mehr, kein Lösungsmittel weiss es zu entfernen, stinken tut’s und bei der Verarbeitung sind die Hände sofort verschmiert. Kein unangenehmeres Material also, als dieses. Aber plastisch allemal und dank dem eingebauten Draht bleiben die Figuren beweglich und formbar – wie die Gliederpuppen, mit denen man in akademischer Tradition das figürliche Zeichnen ohne Modell erlernt.

 

Einblicke in den Schaukasten ...

 

Der Schaukasten ist zu einem musealen «white cube» umgebaut, in dem Figuren und Sockel miteinander in unterschiedlicher Weise korrespondieren. Figuren stehen, liegen oder hocken auf, an, unter und neben Sockeln – die Liegende infolge Sturzes vom Sockel. Verspielt wird Menschlich-Allzumenschliches mit bissigem Humor aufgefächert und vorgeführt.

Ein leerer Sockel verweist auf jene kecke Figur, welche sich verselbstständigt hat und ausgebrochen ist, um sich umzusehen oder gar in Herisau spazieren zu gehen, wo wir ihr allenfalls 1:1 begegnen.

Vera Marke

 

Barbara Mühlefluh, 1962, lebt und arbeitet in Neuheim, ZG

 

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