Ob auch die Appenzeller Möbelmalerei entwicklungsfähig ist, war bisher kaum Gegenstand von Untersuchungen. Andrea Gerber, eine junge Künstlerin und Schreinerin aus dem aargauischen Windisch, hat sich diesen Sommer in den Brauchtumsmuseen des Appenzellerlandes umgeschaut. Ausgehend von ihren beiden Berufen faszinierten sie die Bauernkästen im Museum Herisau, in Urnäsch und Appenzell ganz besonders.

 

Gerbers Einladungskarte macht auf die Versteigerung eines Schrankes an der Eröffnung der Ausstellung aufmerksam ...

 

So beschliesst sie, in Anknüpfung an ihr bisheriges künstlerisches (und handwerkliches) Schaffen einen Kastentypus zu entwerfen, der einerseits Elemente der traditionellen Möbelmalerei enthält, andererseits aber klar als Kunstobjekt zu verorten ist. Hergestellt aus MDF, Tannenfurnier, teilweise mit Plexiglas und Innenbeleuchtung, bietet die Künstlerin vier verschiedene Schrank-Varianten an, die sich nach den jeweiligen Bild- bzw. Textsujets unterscheiden in «Säntis», «Alpfahrt», «Robert», «Chlaus». Der Auftraggeber/Käufer kann die Details der Malerei oder des Fotodrucks selber bestimmen. Allerdings wird die Bildertür mit einem Furnier zugedeckt, das durch Abschleifen hauchdünn und durchscheinend wird. Diese Art der Versiegelung, die Andrea Geber schon in früheren Kunstobjekten wie einem Spülbecken, einem Spiegel oder Fenster, einer LP oder einem TV angewendet hat, bewirkt eine Entfremdung, eine durch Abdecken sichtbar gemachte Geschichtlichkeit im Erscheinungsbild des in seinen Massen und Konstruktionsteilen traditionell wirkenden Kastens. Das Bild wird vor Blicken geschützt, entzieht sich, wird zum Geheimnis. Nicht selten sind üppige Malereien übermalt, dadurch konserviert, und später wieder freigelegt worden.

 

... während im Schaukasten die Produkte von Gerbers temporärer Firma «Fuge, Schreinerhandwerk»
ausgestellt sind.

 

Für den temporären Vertrieb ihrer Kastenmodelle hat Andrea Gerber für die befristete Zeit der Präsentation im «Schaukasten Herisau» eigens eine Firma gegründet, mit Logo, Internetauftritt (www.fuge9100.ch) und einem Schaukasten als Werbeplattform vor der Post Herisau. Dort sind Musterstücke der schmucken Türbehandlungen in den vier Varianten zu sehen, als wärs ein ganz gewöhnlicher Schaukasten, gemietet von einer ganz gewöhnlichen Firma.

 

Besucher/innen der Eröffnung vor dem Schaukasten Herisau.

 

Der Auktionator Matthias Flückiger versteigert den Schrank «Alpfahrt».

 

Andrea Gerber interessieren die Übergänge und Zwischenräume, die Fugen, zwischen Funktion und Ästhetik, Kunst und Design, Tradition und Innovation. Der Zweckmässigkeit der Dinge nähert sie sich von verschiedenen Seiten her an, sie vertraut und misstraut ihr. Benutzbare, aber in ihrer Benutzbarkeit entfremdete Dinge attackieren unser eingeschliffenes Wahrnehmen. Objekte und Rauminstallationen wie «Abrichten», eine Gigampfi als Skulptur, oder «Vertrauen», ein betretbares Objekt zwischen Jahrmarkts-Mutprobe und zweckfreiem Kunst-Stück, lassen alltagsnahe Gegenstände in psychologisch aufgeladene Untiefen gleiten.

Ursula Badrutt Schoch

 

Andrea Gerber ist 1980 geboren. Im Anschluss an die Schreinerlehre in Windisch absolviert sie ein Studium im Bereich Bildende Kunst an der HGK Z, das sie 2006 abschliesst.

 

Weitere Informationen
> Fuge, Schreinerhandwerk unter http://www.fuge9100.ch
> Andrea Gerber unter http://www.installativ.ch