Die Post vermietet in der ganzen Schweiz an prominenter Lage Schaukästen für Werbezwecke. Ein Schaukasten in Herisau AR wird auf Initiative einer Gruppe Kulturleute zum kleinen Ort für Kultur - begrenzt in den Ausmassen, grenzenlos in den Möglichkeiten. Viermal jährlich wechseln die Ausstellungen. Die Eröffnungen sind als Anlässe zum Treffen gestaltet, wo Gespräche stattfinden, wo gegessen, getrunken werden kann, wo Austausch stattfindet, wo Vorübergehende hängen bleiben, wo die Wirksamkeit des Werbekastens als Kunst im Leben erfahren wird.

 

Stauffers Einladungskarte zeigt den benachbarten Schaukasten der Bäckerei dreischiibe, Herisau.

 

DICHTERSTAUFFER hat gleich einen ganzen Sack an Vorschlägen aufgetischt, alle reizvoll und verführerisch und stets mit einer humorvollen Note. Nur eine Idee aber wollte er realisiert sehen. Ortsspezifischer als es den InitiantInnen lieb sein könnte, re-integriert er den Schaukasten als Schaukasten und gibt ihn erneut als Werbekasten frei. Damit ist das Projekt «Schaukasten Herisau» aufgehoben, der Realität gleichgemacht.

Michael Stauffer hat die «dreischiibe» eingeladen, «seinen» Kasten zu bespielen und als ihre zweite Werbeplattform vor der Post ganz in ihrem Sinne und Gusto zu nutzen. Kostenlos verdoppelt. Bei der«dreischiibe» handelt es sich um ein erfolgreiches Integrationsprojekt für Menschen mit psychischen Schwierigkeiten.

 

Der Schaukasten der Bäckerei dreischiibe, Herisau (oben) und der Kunst-Schaukasten (unten),
der Stauffers Sonderangebot präsentiert.

 

Zwei kleine Auflagen hat Dichter Stauffer allerdings mit dem Angebot verbunden. Während der Dauer der Stauffer-Ausstellung im Schaukasten Herisau, die als solche gar nicht in Erscheinung tritt, bietet die Bäckerei «dreischiibe» ein Stauffer-Brötli an, für welches im Schaukasten geworben wird. Jegliche Ähnlichkeit mit anderen Denkmal-Gebäcken ist zufällig.
Ein Textschild erläutert die «Dichter-Aktion» mit folgenden Worten: Entdecken Sie, wie gut ein Dichter schmeckt.

Die wohltönenden Argumente für einen Schaukasten als kulturelle Plattform sind mit der Arbeit «Zur Pflege und Vermittlung des köstlichen Lebens» perfide befragt und auf den Prüfstand gestellt. Die gut gemeinten Absichten von Kunstvermittlung im öffentlichen Dorfleben an zentraler Stelle, die Ankurbelung der Diskussionsfreude mittels geselligen Anlässen, die allerorts gepflegten Ortsbezüge zeitgenössischer Kunst sind thematisiert und in der realitätsnahen Umsetzung für sinnlos erklärt.
Wer stellt da jetzt wen aus, wer profitiert und wer zahlt die Miete?

Michael Stauffer gelingt es, ebenso präzis wie hinterhältig, ebenso bescheiden wie spektakulär den Finger auf jene Punkte und Unstimmigkeiten zu halten, die gerne übersehen werden, weil es die eigenen Schwachstellen sind. Kein Wunder, haben ihm die Spitzbuben im «dreischiibe»-Schaufenster gefallen!

Ob als Literat, Regisseur, Performer, Künstler, Sänger: Das liebevoll Harmlose kippt bei Michael Stauffer rasch ins bodenlos Böse. Dafür mischt er sich am liebsten ungefragt in die kleinen und grossen politischen Abenteuer und Gesellschaftsspiele ein. Das Spiessekehren scheint zu seinen Lieblinsgrotesken zu gehören. Zur Zeit bietet er auf www.dichterstauffer.ch «neue Kurse zum Bärenfotografieren» an. Jüngst lancierte er auch eine Volksinitiative zur Ausschaffung krimineller SVP-Wähler.

Zur Eröffnung des Schaukastens am 28. August 2007 im Alten Zeughaus (Annexbau) wird Michael Stauffer auch etwas lesen.

Ursula Badrutt Schoch

 

Weitere Informationen
> Michael Stauffer unter http://www.dichterstauffer.ch
> dreischiibe unter http://www.dreischiibe.ch